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von AnatolGogol
Agent
Leider erneut keine wirklich überzeugende Vorstellung der deutschen Mannschaft, die vor allem spielerisch wieder sehr bieder und einfallslos agierte. Positiv zu vermerken ist, dass man sich nach der katastrophalen ersten Halbzeit halbwegs zusammengerissen hat und über den Kampf zumindest teilweise ins Spiel gefunden hat. Der Sieg geht über die 120 Minuten allerdings absolut in Ordnung (er fiel letztlich sogar zu niedrig aus), da sich mit zunehmender Dauer die konditionellen Unterschiede zwischen den Mannschaften immer mehr offenbarten und sich das wesentlich höhere spielerische Potenzial der deutschen Einzelspieler zumindest sporadisch zeigte.
Allerdings muss man leider auch ganz klar sagen, dass das Spiel gestern deutlich zeigte, dass die Probleme der Vergangenheit nach wie vor aktut sind. Es war schon erschütternd mitansehen zu müssen wie schlecht das Team mit vom Gegner ausgeübtem Druck umzugehen wusste. Ich weiss nicht, was erschreckender war: die Hilflosigkeit in der Defensive oder die Ideenlosigkeit in der Offensive. Eines vereinte jedoch alle Mannschaftsteile: das scheinbar völlig fehlende Selbstbewusstsein. Die zweite Hälfte brachte dann Besserung, vor allem der deutlich aktivere und eben auch erheblich mehr Selbstbewusstsein ausstrahlende Schürrle konnte hier positive Akzente setzen, aber man sollte sich auch nicht zu viel auf diesen Umschwung einbilden, denn es war unübersehbar dass die Algerier mit Beginn der zweiten Hälfte mehr und mehr konditionell den Tribut für ihr enorm hohes Anfangstempo zahlen mussten. Ihr konsequentes Pressing wurde immer lockerer, die Räume immer größer und davon konnten die Deutschen dann auch profitieren wie auch von der deutlich höheren algerischen Fehlerquote im Aufbausspiel und in der Defensive. Die algerische Strategie ähnelte hier der vom BVB im CL-Finale gegen Bayern: mit enorm hohen Tempo und konsequentem Pressing von Anfang an den Gegner dominieren und ihn damit auch moralisch einschüchtern. Diese Strategie funktioniert aber nur dann, wenn man in dieser Vollgasphase dann auch die notwendigen Ergebnisse liefert, sprich die Tore schiesst, da der Tank bei Volllast halt irgendwann in der zweiten Hälfte dann nahezu leer ist. Und daher war die immer stärker werdende Dominanz der Deutschen eigentlich die logische Konsequenz, da die Algerier am Ende nur noch ihre Willenskraft entgegenzusetzen hatten.
Leid tat mir Mustafi, der von Löw erneut auf einer für ihn ungewohnten Position regelrecht verheizt wurde. Die Abwehrkette mit vier Innenverteidigern erwies sich erneut als großer Schwachpunkt, sowohl in der Defensive wo die kantigen und klobig wirkenden Deutschen den wendigen und schnellen Algeriern fast schon auf bedauernswerte Weise nichts entgegenzusetzen hatten wie auch in der Offensive, zu welcher die ungeübten Aussenverteidiger nichts konstruktives oder im worst case sogar höchst gefährliches (allerdings fürs eigene Tor) beitragen konnten. Dass sich von der allgemeinen Verunsicherung dann auch gestandene Spieler wie Mertesacker, Lahm oder Schweinsteiger anstecken liesen war fast die erschreckendste Botschaft des Spiels. Die besten Deutschen waren für mich der unermüdlich kämpfende Müller, der selbstbewusst auftretende Schürrle sowie der zwar riskant, aber aben auch gekonnt spielende Neuer. Özil fand ich sehr schwach, er war sehr oft am Ball, konnte diesen aber nur sehr selten behaupten und seine Bemühungen für die Offensive waren leider auch nur höchst selten von Erfolg gekrönt. Hoffentlich gibt ihm das Tor etwas Auftrieb, er wird ihn brauchen.
In dieser Verfassung bzw. in der Verfassung, die das Team in diesem Turnier bislang gezeigt hat ist Deutschland für mich kein Anwärter auf den Titel. Anderseits ist das Schöne an der jetztigen Situation: ab dem Viertelfinale gibt es keine Ausreden und Beschönigungen mehr, jetzt können sie zeigen was sie wirklich drauf haben – oder eben auch nicht.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"